Saatgedanken

Früher, als ich jung gewesen bin,
setzte ich ein Bild in meinen Sinn,
pflanzte Saatgedanken in den frischen Geist,
ohne noch zu wissen, was das heißt.

Die Gedanken setzten sich dort fest
und sie bauten sich ein warmes Nest.
Angespornt von ihnen bin ich losmarschiert.
Vieles wäre sicher nicht passiert,
wär ich achtsamer mit mir gewesen.
Heute muss ich nun davon genesen,
dass ich, von Gedanken angetrieben,
mich einst einem falschen Ziel verschrieben
und auf krummen Wegen rumgetrieben habe.
Aber letztlich war das gar nicht schade.

Heute seh ich einen tiefen Sinn
in den damals mir verhassten Tagen.
Allen Prüfungen und schlimmen Plagen,
die sich mir so dreist entgegen stellten,
dank ich heute, weil sie meine Welt erhellten,
meinen Geist durch Widerstand befreiten
und mir halfen, meinen Blick zu weiten.

Was ich damals säte, war ein Satz,
den ich hütete wie einen Schatz.
Ich hielt ihn für revolutionär.
Aber darin irrte ich mich sehr.

Nur dem einen Satz mich zu verschreiben,
war der Weg, es aller Welt zu zeigen,
dass sie schlecht sei und nur ich sei gut.
Sie war kränkend und ich voller Wut.

"Ich will trunken sein und vor die Hunde geh'n!"
gab ich allen Menschen zu versteh'n.
"Diese Welt ist grausam und verkehrt.
Sie ist falsch und es nicht wert,
dass ich mich mit ihr befasse,
weshalb ich es einfach lasse!" 
Erst Jahrzehnte später konnt' ich seh'n,
dass die Zaubersprüche in Erfüllung geh'n.
Doch es ist niemals zu spät
das zu ändern, was man sät.

Ich hab einen neuen Satz gefunden
und den bösen Zauber überwunden: 
"Ich will leben und das Leben lieben!"
steht ab nun in meinem Geist geschrieben.
"Fröhlich will ich diese Welt erfreu'n,
Mühen nicht und keine Arbeit scheu'n,
um der Welt davon zu künden:
Weise wird man durch die eig'nen Sünden!"

So wie Hesse schreibt:
"Der Weltgeist will uns weiten!"
Das gelingt ihm aber nicht bei den Gescheiten,
die nie irren und die alles wissen.
Blinde Flecken sind ein gutes Ruhekissen.
Doch ich will mein Zweifeln nicht vermissen.


Veröffentlicht in Über das Schreiben.