Eine Geschichte erzählen

Jede Geschichte braucht ein Subjekt, ein mit Bewusstsein ausgestattetes, 
denkendes, erkennendes und handelndes Wesen. Nehmen wir als Beispiel
ein verdächtiges Subjekt, das etwas will, das es nicht haben oder tun 
darf. Es muss gar nichts Großartiges sein, worauf das Subjekt abzielt.
Vielleicht den Korb mit Süßigkeiten, der oben auf dem Schrank steht. Aber
das Subjekt ist nicht groß genug, um hinauf zu gelangen. Eine Leiter steht
nicht zur Verfügung und, ehrlich gesagt, wäre es auch eine langweilige 
Geschichte, wenn das Ziel so leicht zu erreichen wäre.
Jede Geschichte braucht ein Subjekt, den Protagonisten, ein Ziel, das er
erreichen will, und mindestens ein Hindernis auf dem Weg dahin.
Je schwieriger das Ziel zu erreichen ist, umso unterhaltsamer ist die
Geschichte.
Das Subjekt versucht, den Korb mit den Süßigkeiten zu erreichen. Vielleicht 
kann es den Korb mit dem Besen herabstoßen? Aber der Stiel des Besens ist zu 
lang und der Winkel zwischen der Zimmerdecke und dem Dachbrett des Schrankes
zu kurz.
Eine Leiter gibt es nicht, aber es gibt Umzugskartons. Die muss das Subjekt
auseinanderfalten und zusammenstecken. Natürlich geht dabei alles Mögliche 
schief. Schließlich wollen wir den Leser unterhalten und ihm eine vergnügliche
Zeit bereiten. Die Umzugskartons sind klein. Das Subjekt muss sehr viele davon
übereinander stapeln und eine Treppe damit bauen. Die leeren Kartons sind 
allerdings nicht dazu gemacht, dass jemand auf ihnen draufsteht.
Man kann sich denken, was passiert. Am Ende kommt die Person herein, die die
Süßigkeiten auf den Schrank gestellt hat. Erreicht das Subjekt sein Ziel? Da
kann sich jede*r nun einen Reim drauf machen.
*
Ein verdächtiges Subjekt,
dem der Schnaps vorzüglich schmeckt.
Doch der Schnaps steht auf dem Schrank.
Das Subjekt ist zwar sehr schlank,
aber nicht besonders groß.
Wie kriegt es den Schnaps jetzt bloß?
Eine Leiter? Nicht vor Ort!
Umzugskisten stehen dort.
"Wenn ich sie zum Schrank dort schleppe,
bau ich damit eine Treppe!"
denkt Subjekt und schnappt sie sich.
"Bald hab ich den Schnaps für mich!"

Nun ist alles angerichtet.
Lob für den, der weiter dichtet!  
Veröffentlicht in Über das Schreiben.