Hinter der hohen Dichterstirn in Linksgehirn und Rechtsgehirn springen Ideen aus dem Schrank. Sie hüpfen über Tisch und Bank und rennen jubelnd durch die Stube als freches Kind und böser Bube. Niemand gebietet ihnen Einhalt, wenn sie in ihrer großen Einfalt genießen, einfach nur zu spielen, statt auf Belohnungen zu schielen, die sich vielleicht erzielen ließen, wenn sie das Paradies verließen. Sie tollen lustvoll aus dem Vollen, weil alles, was sie wirklich wollen, ist: Freude an der Sprache wecken. Indem sie tanzen, quietschen, necken wollen sie Menschen dazu bringen, selber zu dichten und zu singen. Möge das hier und jetzt gelingen. *
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Ein liebevolles Gedicht
Liebevoll ist dies Gedicht.
Streichelt zärtlich sein Gesicht.
Nimmt sich innig in den Arm.
Flüstert:”Ich mag deinen Charme.”
Reibt sich achtsam an der Nase.
Brummt “Du bist mein süßer Hase.”
Fürsorglich gibt es sich Halt.
Murmelt “Mit dir werd’ ich alt.”
Ganz mit Liebe angefüllt
ist es wenn es sich nachts stillt.
Selbstverliebt ist dies Gedicht.
Doch das stört es weiter nicht.
Dumme Gedichte
Zwei Gedichte sind zerstritten,
kommen zornvoll angeritten,
kämpfen wie die wilden Ritter,
sterben beide. Das ist bitter.
*
Zwei Gedichte wollen streiten.
Man sieht sie auf Pferden reiten.
Wie sie hauen! Wie sie stechen!
Keiner will darüber sprechen,
denn man weiß: vorm Abendrot
sind sie alle beide tot.
*
Zwei Gedichte kollidieren,
während sie, auf bösen Stieren
sitzend, aufeinander schlagen.
Ihren Tod muss man beklagen.
*
Zwei Gedichte sind befehdet,
weil keiner mit keinem redet.
Mit den Schwertern starr und stumm
hauen sie sich beide um.
*
Zwei Gedichte, die nicht schnallen,
dass sie aufeinanderprallen,
weil sie nicht geredet haben,
werden feierlich begraben.
Pencildance vom 12.9.2018
Erzähle die Geschichte einer Person, die als
Pendler zur Arbeit in die Nachbarstadt fährt
und nach Feierabend zu ihrem Wohnort zurück-
fahren will. Erstaunlicherweise ist die Auto-
bahn bei der abendlichen Rückfahrt vollkommen
leer. Auf der Gegenspur stadtauswärts stehen
die Autos aber alle im Stau.
*
Das Bonbon-Orakel
Dieses Gedicht ohne jeglichen Makel
ist Oslos berühmtestes Bonbon-Orakel.
Es wird von Bürgern ungeniert
bei den Problemen konsultiert,
die jedefrau und jedermann
für sich allein nicht lösen kann.
Nun steht das Gedicht
bei uns vor Gericht
und bittet um Verzeihung,
weil seine Prophezeihung
hinsichtlich des versprochenen Glücks,
voraussehbar und hinterrücks,
nicht in Erfüllung gehen konnte,
weil das Gedicht sich heimlich sonnte.
Es hatte allen Glück versprochen
und das Versprechen dann gebrochen.
Das zur Glückserfüllung benötigte Wissen
hat es gegoogelt und an sich gerissen.
Doch weil es sich dann Urlaub nahm,
versagte der geniale Plan.
Weissagungserfüllung hat es uns verweigert
und sich in Ideen hineingesteigert,
es wäre noch nie ein Orakel gewesen
und hätte auch niemals die Zukunft gelesen
sondern alles aus seinen Ärmeln geschüttelt
oder an seinen Haaren herbeigezogen.
Kurzerhand, es gestand: es war alles gelogen.
Das hat alle Bürger so aufgerüttelt,
dass sie nie wieder einem Orakel trauten
und sich ihre Meinung jetzt selber bauten,
indem sie das Googeln nun selber erlernten
und sich nie wieder von ihrem Smartphone entfernten.
*