Hinter der hohen Dichterstirn

Hinter der hohen Dichterstirn
in Linksgehirn und Rechtsgehirn
springen Ideen aus dem Schrank.
Sie hüpfen über Tisch und Bank
und rennen jubelnd durch die Stube
als freches Kind und böser Bube.
Niemand gebietet ihnen Einhalt,
wenn sie in ihrer großen Einfalt
genießen, einfach nur zu spielen,
statt auf Belohnungen zu schielen,
die sich vielleicht erzielen ließen,
wenn sie das Paradies verließen.
Sie tollen lustvoll aus dem Vollen,
weil alles, was sie wirklich wollen,
ist: Freude an der Sprache wecken.
Indem sie tanzen, quietschen, necken
wollen sie Menschen dazu bringen,
selber zu dichten und zu singen.
Möge das hier und jetzt gelingen.
*

Pencildance vom 16.9.2018

Erzähle die Geschichte einer Person, der
in ihrer Jugend drei Prophezeihungen
gemacht wurden. Nach vierzig Jahren ist
die erste Prophezeihung eingetroffen und
die Person beginnt, sich vor der dritten
zu fürchten.
*

Pencildance vom 14.9.2018

Erzähle die Geschichte einer Person, die
ihre*n Ehepartner*in in der Öffentlichkeit
vergiftet, indem sie ihm/ihr das falsche
Medikament verabreicht. Sie erkennt aber
im Gesicht eines Zeugen in der herum-
stehenden Menschenmenge, dass ihre Tat
nicht unbemerkt geblieben ist.
*

Pencildance vom 13.9.2018

Erzähle die Geschichte einer Person, die
glaubt, dass sie bald sterben wird. Sie
gibt ihren Job auf und beschließt, sich
mit ihrem ersparten Geld noch ein schönes
Leben zu machen. Aber nachdem sie das
Geld verbraucht hat, lebt sie immer noch.
*

Ein liebevolles Gedicht

Liebevoll ist dies Gedicht.
Streichelt zärtlich sein Gesicht.
Nimmt sich innig in den Arm.
Flüstert:”Ich mag deinen Charme.”
Reibt sich achtsam an der Nase.
Brummt “Du bist mein süßer Hase.”
Fürsorglich gibt es sich Halt.
Murmelt “Mit dir werd’ ich alt.”
Ganz mit Liebe angefüllt
ist es wenn es sich nachts stillt.
Selbstverliebt ist dies Gedicht.
Doch das stört es weiter nicht.

Dumme Gedichte

Zwei Gedichte sind zerstritten,
kommen zornvoll angeritten,
kämpfen wie die wilden Ritter,
sterben beide. Das ist bitter.
*
Zwei Gedichte wollen streiten.
Man sieht sie auf Pferden reiten.
Wie sie hauen! Wie sie stechen!
Keiner will darüber sprechen,
denn man weiß: vorm Abendrot
sind sie alle beide tot.
*
Zwei Gedichte kollidieren,
während sie, auf bösen Stieren
sitzend, aufeinander schlagen.
Ihren Tod muss man beklagen.
*
Zwei Gedichte sind befehdet,
weil keiner mit keinem redet.
Mit den Schwertern starr und stumm
hauen sie sich beide um.
*
Zwei Gedichte, die nicht schnallen,
dass sie aufeinanderprallen,
weil sie nicht geredet haben,
werden feierlich begraben.

Pencildance vom 12.9.2018

Erzähle die Geschichte einer Person, die als
Pendler zur Arbeit in die Nachbarstadt fährt
und nach Feierabend zu ihrem Wohnort zurück-
fahren will. Erstaunlicherweise ist die Auto-
bahn bei der abendlichen Rückfahrt vollkommen
leer. Auf der Gegenspur stadtauswärts stehen
die Autos aber alle im Stau.
*

Pencildance vom 11.9.2018

Schreibe einen Dialog, in dem die “Besitzerin”/
der “Besitzer” eines Haustieres dem Haustier
erklären will, warum es ein besseres Leben
hat als er/sie selbst. Wie verhält sich das
Haustier in dem Gespräch?
*

Das Bonbon-Orakel

Dieses Gedicht ohne jeglichen Makel
ist Oslos berühmtestes Bonbon-Orakel.

Es wird von Bürgern ungeniert
bei den Problemen konsultiert,
die jedefrau und jedermann
für sich allein nicht lösen kann.

Nun steht das Gedicht
bei uns vor Gericht
und bittet um Verzeihung,
weil seine Prophezeihung
hinsichtlich des versprochenen Glücks,
voraussehbar und hinterrücks,
nicht in Erfüllung gehen konnte,
weil das Gedicht sich heimlich sonnte.

Es hatte allen Glück versprochen
und das Versprechen dann gebrochen.

Das zur Glückserfüllung benötigte Wissen
hat es gegoogelt und an sich gerissen.
Doch weil es sich dann Urlaub nahm,
versagte der geniale Plan.

Weissagungserfüllung hat es uns verweigert
und sich in Ideen hineingesteigert,
es wäre noch nie ein Orakel gewesen
und hätte auch niemals die Zukunft gelesen
sondern alles aus seinen Ärmeln geschüttelt
oder an seinen Haaren herbeigezogen.
Kurzerhand, es gestand: es war alles gelogen.

Das hat alle Bürger so aufgerüttelt,
dass sie nie wieder einem Orakel trauten
und sich ihre Meinung jetzt selber bauten,
indem sie das Googeln nun selber erlernten
und sich nie wieder von ihrem Smartphone entfernten.
*