Alle Jahre wieder

Das ging schon zwanzig Minuten so.
Er lief hinter mir her.
Wenn ich stehenblieb und mich nach ihm umsah,
blieb er ebenfalls stehen und sah zu Boden.
Dreimal ging das so.
Dann war ich es satt.
Ich ging zu ihm hin und fragte: 
"Laufen Sie mir nach?"
Er nickte.
"Wissen Sie was?" sagte ich. "Sie bleiben jetzt hier
stehen und warten fünf Minuten, bis ich weg bin!"
Er schüttelte den Kopf und fasste meine linke Hand.
"Das geht aber nicht!" sagte ich und versuchte, seine
Hand abzuschütteln, indem ich sie nach oben zog.
Dabei kam ich ihm so nah, dass er den linken Arm
um meinen Rücken legte und sich dann mit beiden Armen
an mir festklammerte.
Ich schlug auf ihn ein und schimpfte:"Was denken Sie
sich eigentlich? Sie sollen mich loslassen!"
Ich versuchte, mich seiner Umarmung zu entwinden, aber
er legte sein linkes Bein um mein Becken herum.
Wir kamen zu Fall.
Seine beiden Arme und seine beiden Beine umklammerten
mich. Seine Wange lag an meiner Wange. Ich konnte seinen
Atem spüren.
Ich wurde ruhiger.
Etwas in mir entspannte sich.
"Ich fühle mich jetzt auch besser!" sagte er.
"Können wir dann jetzt aufstehen?"  fragte ich.
Er half mir auf die Beine.
Hand in Hand gingen wir weiter.
Es war unser Hochzeitstag.
Wir machten es immer so wie beim ersten Mal,
als wir uns kennengelernt hatten.

Veröffentlicht in Über das Schreiben.