Erbsünde






































Ich kam frei von Sünden auf die Welt.
Ungefragt und nirgendwo bestellt,
sprang ich optimistisch, nackt und bloß,
fröhlich lachend aus dem Mutterschoß.

Aber bald schon sprach man überall
von der Sünde und dem Sündenfall.
Man hat mir von Anfang an verkündigt,
ich hätt' mich durch die Geburt versündigt,
schnitzte in mich wie in einen Baum
dieses Denken. Wie ein böser Traum
wurde mir ein Schuldgefühl vererbt,
das mir suggeriert, ich sei verderbt.

Wenn man uns in diesem Sinn belehrt,
ist etwas auf dieser Welt verkehrt.

Frei von Sünde will ich weitergehen
und die Welt mit neuen Augen sehen,
suche unermüdlich nach der Wahrheit
und erhoffe mir, ich finde Klarheit.

Saatgedanken

Früher, als ich jung gewesen bin,
setzte ich ein Bild in meinen Sinn,
pflanzte Saatgedanken in den frischen Geist,
ohne noch zu wissen, was das heißt.

Die Gedanken setzten sich dort fest
und sie bauten sich ein warmes Nest.
Angespornt von ihnen bin ich losmarschiert.
Vieles wäre sicher nicht passiert,
wär ich achtsamer mit mir gewesen.
Heute muss ich nun davon genesen,
dass ich, von Gedanken angetrieben,
mich einst einem falschen Ziel verschrieben
und auf krummen Wegen rumgetrieben habe.
Aber letztlich war das gar nicht schade.

Heute seh ich einen tiefen Sinn
in den damals mir verhassten Tagen.
Allen Prüfungen und schlimmen Plagen,
die sich mir so dreist entgegen stellten,
dank ich heute, weil sie meine Welt erhellten,
meinen Geist durch Widerstand befreiten
und mir halfen, meinen Blick zu weiten.

Was ich damals säte, war ein Satz,
den ich hütete wie einen Schatz.
Ich hielt ihn für revolutionär.
Aber darin irrte ich mich sehr.

Nur dem einen Satz mich zu verschreiben,
war der Weg, es aller Welt zu zeigen,
dass sie schlecht sei und nur ich sei gut.
Sie war kränkend und ich voller Wut.

"Ich will trunken sein und vor die Hunde geh'n!"
gab ich allen Menschen zu versteh'n.
"Diese Welt ist grausam und verkehrt.
Sie ist falsch und es nicht wert,
dass ich mich mit ihr befasse,
weshalb ich es einfach lasse!" 
Erst Jahrzehnte später konnt' ich seh'n,
dass die Zaubersprüche in Erfüllung geh'n.
Doch es ist niemals zu spät
das zu ändern, was man sät.

Ich hab einen neuen Satz gefunden
und den bösen Zauber überwunden: 
"Ich will leben und das Leben lieben!"
steht ab nun in meinem Geist geschrieben.
"Fröhlich will ich diese Welt erfreu'n,
Mühen nicht und keine Arbeit scheu'n,
um der Welt davon zu künden:
Weise wird man durch die eig'nen Sünden!"

So wie Hesse schreibt:
"Der Weltgeist will uns weiten!"
Das gelingt ihm aber nicht bei den Gescheiten,
die nie irren und die alles wissen.
Blinde Flecken sind ein gutes Ruhekissen.
Doch ich will mein Zweifeln nicht vermissen.


Fight tooth and nail





































Dieses Gedicht kämpft mit Zähnen und Klauen.
Du kannst darauf bauen,
dass es zuverlässig die Feinde erschreckt,
indem es nicht nur die Zähne bleckt,
sondern all deine Feinde sehr schmerzvoll beißt
und dann mit den Klauen in Stücke zerreißt.
Du darfst es nicht zähmen.
Sonst müsstest du dich hinterher dafür schämen,
dass du diese starke Naturgewalt,
die dir dienend zur Seite stand,
ohne Sinn und Verstand 
vergeudet hast.
Und bist du mal alt,
steht es da ohne Zähne und Klauen
und dann kannst du mal schauen,
wer dich noch beschützt vor den Feinden im Heim.
Denn dann bist du allein.
Dein Gedicht trägt dann nur noch die Schleife im Haar
und träumt heimlich davon, wie gefährlich es war. 


Verdrängte Probleme

Wenn Probleme an die Türe pochen,
werden sie nicht gerne ausgesprochen,
denn man ist hier vornehm und gediegen.
Darum wird das Wichtigste verschwiegen.
Man verschließt entschlossen diese Tür.
Schließlich hat man keine Zeit dafür,
weil das Smartphone klingelt oder brummt
und die Schwierigkeit frustriert verstummt.
So geschieht es, denn es ist gewollt.
Nicht umsonst scheint Schweigen uns wie Gold.
Alle schweigen über das Problem,
denn zu schweigen ist ja so bequem,
während das Problem im Dunklen quillt
und den Wunsch nach Frieden zunächst stillt.
Doch den Frieden hat man nur zum Schein.
Irgendwann schlägt es die Türe ein.
Das Problem, gewachsen wie ein Riese,
jagt uns schimpfend aus dem Paradiese
und lässt uns erstaunt im Regen stehen,
damit wir ihm in die Augen sehen.
So bedrängt nur können wir begreifen:
Die Probleme helfen uns zu reifen.

Plot No1

Die blonde Frau,
die in die Bahn steigt,
trägt ein graues Kostüm.
Ihr Haare sind straff
nach hinten gekämmt
und mit einem schwarzen Tuch
zu einem Knoten
zusammengebunden.
Sie setzt sich auf den Rand
der erstbesten Sitzbank
und schlägt die Beine übereinander.
Die Aktentasche,
die sie unter dem Arm getragen hat,
legt sie neben sich auf die Bank.

Die Idee,
eine Person über ihre Frisur zu beschreiben
oder über die Art und Weise,
wie sie sich setzt.
Was würde geschehen,
wenn die Frau sich plötzlich 
breitbeinig hinsetzt
und laut zu schimpfen beginnt?
Sie reißt sich das Tuch aus den Haaren
und schüttelt ihre blonde Mähne,
aus der rote Funken
in den Raum springen.
Sie nimmt ihr Aktentasche
und schlägt ein
auf die erstbeste Person,
die sich in der Nähe befindet.
Schreit und schlägt und kreischt.
Eine ältere Dame 
legt ihr die Hand auf die Schulter.
Dann umarmen sie sich.
Die alte Dame steigt aus.
Sie wird dabei von einem Auto überrollt.
Die blonde Frau 
springt aus dem Fenster der Bahn.
Sie rennt dem Auto hinterher,
um die neu gewonnene Freundin zu rächen.
Ihr roten Stöckelschuhe 
streift sie dazu von den Füßen 
und wirft sie nach dem Auto.
Der Fahrer verliert die Kontrolle über den Wagen
und stürzt in den Abgrund.
Die Blonde sammelt ihre roten Schuhe wieder ein,
bindet das Haar mit dem Tuch zusammen,
ordnet ihre Kleidung 
und klemmt sich die Aktentasche unter den Arm.
Dann steigt sie in die Bahn.
Sie trägt ein graues Kostüm.

Der Geist ist mächtig





































Wenn alles so sinnlos erscheint,
dass man zu müde ist,
die Hand zu erheben,
wird es Zeit,
das Leben
mutig in die eigene Hand zu nehmen.
Es ist nicht egal,
ob die duftende Blüte gesehen wird,
oder ob ihr Duft
von einem Lebewesen
mit Bewusstsein
wahrgenommen wird.
Alles, was erkannt wird,
erlangt eine höhere Stufe
der Evolution.
Der Geist ist mächtig.
Ein farbenprächtiger Regenbogen,
in dem alles seinen Platz findet.
Das ist der Geist.
Gebe niemals auf.
Lass dich nicht niederdrücken
von der Last der Probleme
oder dem Gewicht der Jahre.
Alles, was dich belastet,
macht dich stärker im Geist,
wenn du dich 
der Herausforderung stellst. 
Sogar das Scheitern
kann einen heiteren Sieg bedeuten.
Das Lächeln ist eine starke Waffe
im Kampf gegen die Sinnlosigkeit,
die nur eine Bewertung dessen ist,
was geschieht.
Doch was geschieht, 
geschieht einfach,
und es liegt an dir,
was du daraus machst.

Blut ist dicker als Wasser

Morgens trank ich Wasser aus dem Kran.
Das war herrlich erfrischend.
Ich fühlte mich wach und klar.
Als ich mittags Kartoffeln schälte
und der Geruch der Stärke in meine Nase stieg,
schnitt ich mir in den Finger.
Das Blut tropfte hinab
auf die braunen Schalen der Kartoffeln.
Es bahnte sich seinen Weg
über den Tisch
zwischen den weißen Kartoffeln hindurch
und floß in den Ausguss,
wo es sich mit Wasser vermischte.
Erde zu Erde
und Wasser zu Wasser.
Wenn es zu dünn ist,
dann macht es mich blasser.
Was hat Gott sich dabei gedacht,
als er das Blut so dick gemacht?
Jetzt trinke ich noch einen Schluck
vom klaren, kühlen Wasser.
Gluck.Gluck.Gluck.

Die kranke Erde fühlt sich alt

Die kranke Erde fühlt sich alt. 
Sie fiebert. 
Trotzdem ist ihr kalt. 
Sie fühlt die Menschheit auf sich sitzen 
und das Gewicht bringt sie ins Schwitzen. 

Einst war sie als Planet gedacht, 
auf dem das Leben Freude macht. 
Doch als der Mensch das Feuer fand, 
eroberte er Land um Land. 
Wo vorher nichts war als Natur, 
verursachte er eine Spur, 
die Zeugnis gab von: "Ich bin hier!" 
Doch fehlte diesem Ich das Wir. 

"Mein Ich zuerst!" zerstört das Leben, 
das uns die Erde anvertraute. 
Sie hat sich an uns hingegeben. 
Als sie achtsam von Innen schaute 
und auf das sah, was wir erschufen, 
hörten wir nicht ihr leises Rufen. 
Sie spricht zu uns und will erreichen, 
dass alle Menschen dies erkennen: 
"Ein jeder Mensch ist meinesgleichen!" 
um sich zum Mensch-Sein zu bekennen. 

Wir waren früher dumme Affen. 
Doch heute könnten wir es schaffen,
die Welt ganz neu und frisch zu bauen. 
Indem wir aufeinander schauen, 
die Wesen liebevoll betrachten,
anstatt auf den Profit zu achten, 
stärken wir ihre Schöpferkraft, 
mit der die Erde alles schafft, 
denn diese Krise macht nur Sinn, 
wenn radikaler Neubeginn 
uns Lebewesen alle eint. 
Gemeinschaftlich sind wir gemeint.

Gewichtige Worte

Worte machen uns schläfrig.
Darum nehmen wir Bücher 
mit ins Bett.
In einem Buch 
trampelt eine Herde Elefanten 
durch die Wüste
und bringt das Gleichgewicht 
der Erde durcheinander.

Neigt ein Elefant den Kopf
dann zittern wir,
weil die Welt zu schaukeln beginnt.

In einem anderen Buch
schwimmt ein Wal, 
größer als ein Elefant,
durch das stürmische Meer.

Wenn er mit dem Schwanz schlägt,
taumelt die Welt 
und wir halten uns fest
an der Bettdecke,
damit wir nicht schwanken.

Eingetaucht in die Welt der Bilder,
versinken wir 
in der Schwere des Schlafes.