Ein Gedicht, sehr gut betucht, wird von Dichtern heimgesucht. Sie beschlossen, es zu jagen, um es danach auszufragen, was in jenen Versen steht, die, in Tüchern eingenäht, es geheimnisvoll umhüllen. Es soll ihre Neugier stillen. Weil sie um die Verse stritten, haben sie es aufgeschnitten und die Kunst dadurch zerstört. Dann verlangten sie empört, es soll ihnen offenbaren, welche Wunder in ihm waren. Doch die großartigen Wunder sind jetzt nur noch alter Plunder.
Monatsarchive: Januar 2020
Tarzan Maus
Tarzan Maus heißt dies Gedicht. Ob es Mut hat, weiß ich nicht. Fragt man es nach seinem Namen, sagt es:" Bin Herr Maus aus Kamen!", weil es doch aus Kamen kommt, wo es sich als Kind gesonnt. Es erinnert immer noch das besonnte Baggerloch, in dem Mutter täglich rief: "Halt dich grade! Steh nicht schief! Tarzan, sei ein ganzer Mann! Stell dich nicht so weichlich an! Denk an Papa und an mich und sei nicht so zimperlich!" Tarzan nannten sie ihr Kind, damit alles an ihm stimmt. Doch es machte ihnen Kummer, denn es blieb nicht nur ein dummer, sondern auch ein schwacher Junge und bekam es an der Lunge. Als er ziemlich jung verschied, starb er als ein Leichtgewicht, weil er Liegestützen mied. Tarzan Maus hieß dies Gedicht.
Gedichte werden aus Worten gemacht
Gedichte: sie werden aus Worten gemacht. Doch wo kommen die Worte denn her? Wer hat sie in meinen Kopf gedacht und machte sie leicht oder schwer? Wer hat sie denn erst mit der Waage gewogen und stellte dann fest, ob sie nicht nur gelogen sondern wahrheitsgemäß entstanden sind: so wie in der Mutter das werdende Kind? Ich kann es nicht sagen, drum will ich hier fragen, und zwar alle Leute, die jemals gedichtet, ob sie dort im Kopf jemals einen gesichtet, der diese Gedichte alleine erschaffen, anstatt wahllos Verse zusammenzuraffen und dann so zu tun, als ob wären sie sein. Denn das wär gemein. Und auf die Art zu dichten wär wirklich nicht fein. Drum stell ich das Dichten auf weiteres ein. * Worte umschwirr'n mich, wie Motten das Licht. Und wenn sie sich reimen, dafür kann ich nicht. Ich kann halt reimen nur und sonst gar nichts.
Eine Briefmark
Eine Briefmark (sehr frei nach Ringelnatz)
Eine Briefmark, die noch schlief,
nahm man raus für einen Brief.
Jemand hat sie aufgeweckt
und dann einfach abgeleckt,
drückte sie auf das Papier
und schlug mit der Faust nach ihr.
Sie hätt' gern zurückgeschlagen,
doch man hat sie fortgetragen.
Ungewollt war diese Reise
und die Briefmark weinte leise.
Liebe ist Streifenpyjama
Liebe ist Streifenpyjama
oder Schinken vom scheckigen Rind.
Liebe riecht wie ein duftendes Lama,
gewaschen mit Zucker und Zimt.
Scharf und spitz kann sie sein an den Ecken
und manchmal wie Daunen so weich.
Sie zeigt sich und will sich verstecken.
Ob jemand sie mag, ist ihr gleich.
Die Liebe kann leicht sein und schwer.
Wer sie findet, der dreht sich im Kreis.
Manchmal kommt sie leichtfüßig daher
und danach tonnenschwer, wie man weiß.
Liebe: das sind all die Illusionen,
die das Leben uns wohlwollend nimmt.
Doch trotzdem kann Liebe sich lohnen.
Auch wenn sie mal weh tut. Das stimmt!
Liebe heißt: etwas hoffend zu suchen,
so wie Pflanze sich sehnt nach dem Licht.
Manche Bucheckern werden zu Buchen.
Aber andere leider auch nicht.
Wer Liebe sucht, wird sie nicht finden
und kann darum nicht von ihr künden,
denn die Liebe beliebt, frei zu sein
und nicht eine Gewalt fängt sie ein.
(sehr frei nach H.W.Auden)